Mittwoch, 6. Februar 2019

Wie gefährlich ist muslimischer Antisemitismus?

Der Antisemitismus scheint in ganz Europa wieder zu erstarken. Parallel dazu ist Antisemitismus speziell von Muslimen in die Öffentlichkeit gerückt. Mit seinem Vortrag im Landeshaus versuchte David Ranan, die Denkweisen hinter muslimischem Antisemitismus zu analysieren.

Zu Beginn machte der Landesbeauftragte für politische Bildung die Notwendigkeit deutlich, Antisemitismus als Problem zu erkennen und einzuordnen. Er zitierte eine Umfrage der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte unter 16.395 Jüdinnen und Juden aus 12 EU-Ländern, nach der  neun von zehn Befragten eine Zunahme von antisemitischen Vorfällen sähen. Immer öfter werde eine Bedrohung speziell von muslimischer Seite wahrgenommen. Dr. Christian Meyer-Heidemann betonte: „Unsere entschlossene Haltung gegen Antisemitismus darf nicht zur Bildung von Vorurteilen gegenüber Muslimen und Muslimas führen.“

Israelkritik oder Antisemitismus?

Für David Ranan schien klar zu sein: Muslimischer Antisemitismus in Deutschland werde als Gefahr überschätzt. Den Ausgangspunkt für die Argumente des Antisemitismusforschers bildete der britische Philosoph Brian Klug, der Antisemitismus als „Feindlichkeit gegenüber Juden als ‚Juden‘“ definierte.

Häufig, so argumentierte Ranan, handle es sich bei muslimischem Antisemitismus tatsächlich um „Israelkritik“. Viele arabische Staaten befänden sich mit Israel im Krieg. Ein rauher und bösartiger Ton sei da nun einmal zu erwarten. Genau dies problematisierte Moderator Joachim-Liß-Walther. Der Vorsitzende der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Schleswig-Holstein machte dies anhand der Interviews deutlich, die Ranan für sein Buch mit jungen Muslimen geführt hatte: „Wie kann es sein, dass Verschwörungstheorien gegen Juden sogar noch bei Studierenden, wie Ihren Interviewpartnern, so beliebt sind?“

In der anschließenden Podiumsdiskussion hob Prof. Dr. Anja Pistor-Hatam den Rückgriff auf antisemitische Vorurteile durch politische Akteure hervor. Die Islamwissenschaftlerin von der Kieler Christian-Albrechts-Universität erläuterte: „Arabische Regierungen instrumentalisieren den Konflikt mit Israel und schüren Hass gegen Juden, um sich im arabischen Raum beliebt zu machen.“ Oftmals sei aber die Bevölkerung selbst dieser Praxis überdrüssig, bemerkte Pistor-Hatam.

Lebhafte Debatte im Plenarsaal

Ranans Ausführungen stießen im Publikum auch auf Kritik: Dass antisemitische Handlungen und Haltungen ihren Ursprung in (vermeintlich rein politischer) „Israelkritik“ hätten, mildere ja nicht den Umstand, dass es sich letztlich um Antisemitismus handele, lautete eine Wortmeldung. Auch Unwissenheit über die eigenen antisemitischen Handlungen schmälere nicht die Schwere der Tat. Dies machte ein weiterer Gast am Beispiel des Angriffs auf die Lübecker Synagoge im Jahr 1994 fest. Dessen Täter hätten nicht einmal das Wort „Synagoge“ aussprechen können.

Ranan entgegnete, dass er (antisemitische) Gewalt klar verurteilte. Er mahnte allerdings an, Verständnis für die andere Seite, sogar für ihren Hass, zu entwickeln: „Glauben Sie mir, ich will [als Jude; Anm. d. Red.] nicht gehasst werden.“ Aber: „Eine falsche Diagnose führt zu falscher Behandlung“, sagte Ranan sinnbildlich.

Auftrag der politischen Bildung

Doch die Motive hinter einzelnen Formen des Antisemitismus zu erkennen, kann nur ein erster Schritt in der Auseinandersetzung dem Thema sein. Dies wurde auch am folgenden Tag im Regionalen Bildungszentrum Wirtschaft deutlich, als Ranan auf Einladung des Landesbeauftragten einen weiteren Vortrag vor über 300 Schüler/-innen hielt.

Die anschließende, ebenfalls lebhafte Debatte zeigte, dass auch manche Schülerinnen und Schüler antisemitische Einstellungen entwickelt hatten. Dabei schienen sie sich auf einseitige Nachrichten oder nicht überprüfte Behauptungen über Juden und/oder Israelis zu verlassen. Zwar stellten sich einige der jungen Gäste diesen Behauptungen entschieden entgegen. Allerdings kamen Moderatorin Annette Wiese-Krukowska (Stadt Kiel) sowie David Ranan zum Schluss: Eine Vortragsveranstaltung kann nur ein Baustein von vielen bei der Aufklärung über Antisemitismus sein. Auch das Nachvollziehen unterschiedlicher Motive für antisemitische Einstellungen ist nur der erste Schritt. Darauf aufbauend, muss politische Bildung versuchen, diese Einstellungen durch Aufklärung begegnen und Vorurteilen aufbrechen.