Mittwoch, 30. Januar 2019

100 Jahre nach Max Weber – Nachdenken über Politik als Beruf

Am 28. Januar 1919 hielt der Soziologe Max Weber seine berühmte Rede „Politik als Beruf.“ Anlass für den FAZ-Herausgeber und Max Weber-Biografen Jürgen Kaube, auf Einladung des Schleswig-Holsteinischen Landesbeauftragten für politische Bildung im voll besetzen Konferenzsaal des Kieler Landeshauses am Montagabend über Politik in Vergangenheit und Gegenwart nachzudenken.

Max Weber, so der Landesbeauftragte für politische Bildung, sei zu seinem Vortrag vor 100 Jahren nur mit der Drohung zu bewegen gewesen, man würde an seiner statt Kurt Eisner einladen, den Ministerpräsidenten des jungen Freistaates Bayern. „ Anders der heutige Vortragende “, freute sich Christian Meyer Heidemann. „ Jürgen Kaube hat ohne Zögern und sofort zugesagt.“

Der stellte in seinem Vortrag die Kernaussagen Webers von 1919 – Politik als Bohren harter Bretter, die Unterscheidung von Verantwortungs- und Gesinnungsethik, sowie Leidenschaft, Verantwortung und Augenmaß als Eigenschaften eines geeigneten Politikers – vor, um dann im Vergleich zur Gegenwart herauszuarbeiten, wie enorm sich seit Max Weber der Charakter von Politik verändert hat. „ Weber“, betonte Jürgen Kaube, „wäre zuvorderst erstaunt darüber gewesen, wie sehr heute alle Aspekte unseres Alltagslebens von politischen Entscheidungen betroffen sind: von der Lichtstärke einer Schreibtischlampe bis hin zum Verhalten nachts vor einer roten Ampel.“ Die Menge der Entscheidungen, die Politiker/-innen heute zu treffen hätten, habe wiederum die Politik inzwischen weitgehend professionalisiert und damit entideologisiert, was nicht eben selten auf Kosten der Motivation der Politiker/-innen selbst ginge. Nachwuchsprobleme seien vorprogrammiert und ja bereits unübersehbar.

Neben der Zunahme der Entscheidungsmenge sei aber vor allem die vollkommen veränderte Öffentlichkeit die größte Herausforderung, vor der heutige Politiker/-innen stünden – einer medialen Dauerbeobachtung ausgesetzt, wie sie zu Webers Zeiten unvorstellbar gewesen wäre. Es gäbe keine andere Berufsgruppe, deren Angehörige sich dermaßen oft bei der Ausübung ihrer Tätigkeit „stören“ lassen müssten – und denen noch dazu so wenig Wohlwollen entgegen gebracht werde, Man gehe nicht fehl, so Jürgen Kaube, wenn man diagnostizierte, dass die Demokratie unter dem Umstand leide, dass die Politiker/-innen 24 Stunden am Tag in der Öffentlichkeit stünden.

Nur wer in der Lage sei, so darf man Jürgen Kaubes Vortrag zusammenfassen, sich von diesen Widrigkeiten des modernen Politikerlebens nicht abschrecken zu lassen, besitzt heute, im Jahre 2019 den - um mit Max Weber zu sprechen - wirklichen Beruf zur Politik.